Sonntag, 14. Februar 2016

Auf dem Weg ins Nikolaiviertel


Eingang zur Ruine der Klosterkirche der Franziskaner in Berlin-Mitte
 
Jedes Mal wenn ich aus der U-Bahn komme und am Ende auf die  Ruine der Klosterkirche schauen muss, sehe ich die Bilder vor mir. Israelische Fahnen, Kerzen, trauernde Menschen. Yosi D. wurde hier erschlagen und verstümmelt gefunden. Das war zu Ostern vor einem Jahr. Der Täter wurde schnell gefasst, überraschend schnell und nach Berlin ausgeliefert. Am Dienstag (2.2.2016) wurde im Landgericht Moabit die Tat gesühnt. Das Urteil 8 Jahre und 6 Monate wegen Totschlags. Ich bin bei der Urteilsverkündung dabei, weil mich die Geschichte interessiert.  Wer war das Opfer und wer der Täter?

Als der junge Israeli gefunden wurde, gab es einen Aufschrei in den Medien. Diese sprachen von weltweitem Interesse an dem Fall und internationaler Beachtung. Doch als ich am Morgen zur öffentlichen Sitzung in dem Saal 704 eintreffe - mir wurde geraten möglich früh zu erscheinen, damit ich einen Platz bekomme  – gähnende Leere. Ein Mann mit so genanntem Migrationshintergrund hört während des Plädoyers und der Urteilsverkündung zu. Ich erfahre etwas über gründliche Polizeiarbeit und höre ein Urteil  nach den Buchstaben des Gesetzes. Biedere Routine, so scheint es. International sind nur Opfer und Täter. Ein junger Tourist aus Israel und ein Jobsucher aus den USA mit albanischem Pass. Totschlag im Suff, ein Verbrechen ohne Motiv. Routine vor leeren Zuhörerbänken. Keine Botschaftsvertreter, keine  Angehörigen.

Sind wir in der Normalität angekommen, in der das Verbrechen der garstige Teil einer Touristenmetropole geworden ist. Aus dem kuschelig verschnarchten Berlin, das mit dem Slogan “arm aber sexy“ um Zuwanderung warb, zeigt sich im Gerichtssaal der Angriff auf eine gepflegte Idylle. Die Tat ist gesühnt. Durch das Teilgeständnis und die Indizien gibt es keine Zweifel, wer der Täter sei, so das Gericht.

In den Sitzungen erfährt das Schwurgericht auch persönliche Hintergründe des Täters, über sein  schwieriges Leben auf der Suche nach Arbeit. Seine Vita konnte teilweise nachvollzogen werden. Die des Opfers aus Israel jedoch bleibt im Dunkeln, trotz einiger Versuche Licht in das Dunkel zu bringen. Das bedauert sogar der Richter in der Urteilsbegründung.  Kein Wort über Yosis  Leben und seinen Charakter.  Ein Amtshilfegesuch beschränkte sich auf den Abgleich der DNA.  Bei den Anhörungen vor Gericht kann niemand die Vermutung  homophiler Neigungen bestätigen oder dementieren. Niemand ist im Gericht, der dem jungen Mann seine Würde zurück gibt. Er bleibt ein anonymes Opfer  - mit einem zur Unkenntlichkeit zerschlagenen Gesicht – aber mit einem Ausweis aus Israel.  In den anfänglichen Medienberichten über Yosi D. – getötet in unmittelbarer Nähe des Alexanderplatz  wie Jonny K. – wollte man vielleicht an diesen Fall erinnern. Durch das Kürzel,  D. steht für  Damari.  


„Egal, was dahinter steckt – niemand hat das Recht, einem Menschen das Leben zu nehmen“, sagte Mike Samuel Delberg, Organisator der Mahnwache im April 2015. Weil das Opfer so entstellt war, hatte er die Teilnehmer aufgefordert, Fotos von dem Verstorbenen mitzubringen. „So können wir ihm – wenigstens symbolisch – sein Gesicht und seine Würde wiedergeben.“ Fast ein Jahr später, am Tag der Urteilsverkündung, verschwindet Yosis Leben in den Akten der Berliner Justizbehörden.

Am 9. April, 2015 berichtet die Zeitung HAARETZ in Israel
http://www.haaretz.com/jewish/news/1.651180

 

 

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